Testerin im Zuglabor

Tja, da hatte ich doch tatsächlich einmal ein richtig dickes Los gezogen: Die Teilnahme am Zuglabor!

Neulich im Februar bin ich auf einen Beitrag der Deutschen Bahn beim „Gesichtsbuch“ aufmerksam geworden, sie suchten Tester/innen für ihr Regio Zuglabor! Zuvor hatte ich noch nie davon gehört und las mir erstmal durch, was genau das ist.
Beim Zuglabor geht es darum, dass „Testpersonen“ aus verschiedenen Bereichen (Zugbegleiter, Fahrgäste, etc.) Nahverkehrszüge auf Herz und Niere prüfen. Was stört? Was ist gut gemacht? Was wünscht man sich für die Zukunft an (zusätzlichen) Neuerungen?

Das klang für mich sehr verlockend, bin ich doch leidenschaftliche Bahnfahrerin schon seitdem ich denken kann (woher das kommt, kann ich mir allerdings auch nicht erklären). Also gab ich mir einen Ruck, bewarb mich einfach und schrieb mir alles von der Seele, warum genau ICH Zugtesterin werden soll, allerdings rechnete ich nicht damit, überhaupt angenommen zu werden, gab es doch bestimmt bei dem Medium „Gesichtsbuch“ einen breiten, erreichten Interessentenkreis. Als dann Donnerstag, also 1 1/2 Tage etwa vor Anreisetag, eine spontane Anfrage mein Emailfach erreichte, ob ich nicht als Testerin zur Verfügung stehen wollte, hielt ich das alles für einen riesengroßen Scherz. Wie? Zugtesterin? Ich? Ich überprüfte den Absender, aber nein, kein Spam. Aber … Tatsächlich, ich sollte diejenige von was-weiß-ich-nicht-wievielen Bewerbern sein, die daran teilnehmen durfte. Die Mail sah ich zwanzig Minuten nach dem Eintrudeln und hätte auch sofort antworten können, aber ich wollte kurz nachdenken. Konnte ich mir das zeitlich noch erlauben? Geht das? Aber alles Nachdenken half nichts: Ich wollte das machen, da hing schon etwas Herzblut dran, obwohl ich natürlich nicht so ein Profi bin wie viele andere, die sagen können, welche Lok da gerade fährt.
Tags darauf trudelte eine sehr nette Nachricht inklusive des Codes für meine Fahrkarte ein, der Ablaufplan las sich wie ein Traum. Anreise im ICE 1. Klasse? Übernachtung im Hotel, wo meine Freundin meinte, dass es ein Nobelschuppen sei? Passte ich da überhaupt rein? Eine Gruppe Anzugträger sah ich schon vor mir und mitten drin jemand, der alltäglich gekleidet ist … da kamen die Zweifel, aber es war am Ende gar nicht so, alle waren normal, locker und freundlich, sehr sympathisch (und ja, auch die Menschen von der Bahn! Sehr sympathische Menschen, mit denen man sehr interessante Gespräche führen kann!) und entwaffnend.

Am späten Morgen ging es von Hamm los, hoch nach Hannover, nur um dann wieder runter nach Frankfurt zu fahren, um am Ende in Aschaffenburg das letzte Mal auszusteigen. Dort erwartete man uns sogar schon … Genial!

Es ging direkt ins Hotel, wo wir eincheckten und uns eine Stunde später zur Abfahrt ins Restaurant treffen wollten … Und so sah das erste „Willkommensgeschenk“ aus:

Testerausweis

Und so das Hotelzimmer im „Wilden Mann“ aus(in Wirklichkeit sehr düster, durch die ungünstige Lage des Fensters):

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Blick in einen der Innenhöfe, scheinbar nur ein weiteres Zimmer mit Blick in den Hof, aber nur seitlich von meinem Fenster, nicht gegenüber, sodass ich nochmals richtig Privatsphäre hatte und durch die Lage auch Ruhe; was wirklich gut war bei der Uhrzeit, zu der ich aufgestanden bin. Die Betten und die Bettwäsche sind wunderbar, das Zimmer geheizt und gut isoliert.

Nach einer ausgiebigen Ruhepause ging es dann auch zum Gleis 1 in Amorbach, wo wir unglaublich gut und reichlich im Salonwagen in Stil des Orientexpresses speisen durften.

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Zum Eingang gab es einen Cesar-Salat mit Parmesandressing und Roastbeef; ein Traum! Das warme Essen war auch tadellos, einfach lecker! Zum Nachtisch gab es Mousse-Variationen, die alles übertrafen, was ich bisher kannte. Zwischendrin kam mir der Gedanke, dass das nicht wahr sein konnte, dass ich das träumen musste, war es alles zu gut, um wahr zu sein. Die Verpflegung bisher war auf jeden Fall erstklassig!
Zwischen der Haupt- und Nachspeise durften wir dann die Stellwerke begutachten und erhielten zu allem, was im Raum stand, Hintergrundinformationen. Auch wenn ich kein Profi bin, hier wurde ich hellwach, das war sehr interessant und tadellos erzählt. Es wurde auf alle Fragen eingegangen und zu voller Zufriedenheit erklärt.
Im Anschluss konnten wir das Museum besuchen, welches sich über dem Gleis 1 befindet. Da werde ich auf alle Fälle nochmals hinfahren!! Kindheitserinnerungen wurden wach, als ich die Sitze sah, oder bestimmte Mützen vom Personal oder oder oder … Viel Neues war auch dabei und auch hier wurde wieder alles einfach fabelhaft erklärt. Sogar alte Werbevideos der Deutschen Bahn konnte man sich ansehen, es war wirklich eine andere Welt damals, wobei ich mir vorstellen kann, dass einiges aus der Auswahl der Werbung, gut verpackt im Rahmen einer Aktion, auch heute ansprechen kann; Nostalgie nennt man das, glaube ich (und ja, auch mich hat es gepackt).

Schließlich rollten wir im wortwörtlichen Sinne zurück ins Hotel, um dort noch einen „Absacker“ gemeinsam einnehmen zu können (endlich gab es auch Malzbier oder anders gesagt: Kinderbier!). Bei netter Runde in kleinen Gruppen saßen wir zusammen und unterhielten uns noch über diverse Themen, steckten ab, wer womöglich mit wem in einer Gruppe am folgenden Tag sein würde … für die erste Gruppe war der Abend auch bald zu Ende, wir mussten ins Bett, wenn wir ein wenig ausgeschlafen sein wollten.

Tags drauf klingelte um 07:00 Uhr der Wecker, um 07:30 war ich dann auch beim Frühstück; als Zweite. Es dauerte ein wenig, dann kamen auch schon die nächsten. Danach schnell die Sachen zusammengepackt, ausgecheckt und ab zum Bahnhof. Nach einer kurzen Einführung und Verkabelung wurden uns dann die Züge auch vorgestellt, und zwar diese:

ZuglabET 440

zuglaborET 429

Zwischen diesen beiden Wagen stand der Beobachtungswagen, in den per Kamera alles übertragen wurde. Auf vier Bildern zeigte man dann die beiden Gruppen, die gerade unterwegs waren. Zusätzlich konnten die zuschauenden Personen scheinbar alle hören, was wir sagten (wir trugen ja ein Mikro).
Angefangen hat es immer draußen an der Tür der zu testenden Züge: Was fällt uns auf? Die Züge selbst waren innen mit Kameras bestückt, dies waren dann auch unsere Haltestellen, an denen wir besonders gründlich testeten, dabei wurde kein Blatt vor den Mund genommen, wir konnten alles sagen, was uns auf der Zunge lag. Und wer hier denkt, man hat uns gezielte Fragen gestellt, der irrt: Wir durften uns setzen oder den Bereich, in dem wir standen, beobachten und ohne Fragen schildern, was wir sahen und was wir dachten. Erst danach wurden allgemeine Fragen gestellt. Was genau gesagt wurde, mag ich hier nicht sagen, aber es sei so viel gesagt: Unsere Vorschläge, unsere Kritikpunkte wurden allesamt erfasst; wie es damit weitergeht, werden wir in ein paar Jahren dann sehen können 🙂 Bedenkt doch: Alles muss ausgewertet werden, dann muss die Auswertung auf Übertragungsmöglichkeit hin bearbeitet werden und dann wird alles entworfen und dann der Auftrag ausgeschrieben werden … irgendwann werden dann die Züge gebaut und das dauert eben seine Zeit.

Die Presse war auch vor Ort, diverse stellten Fragen, schossen Fotos, filmten … mal sehen, wer bald zu sehen ist 🙂 Es war, zugegeben, teilweise unheimlich, wenn man aus dem Zug kam und man wurde auf etwas angesprochen, was man vor einer Stunde oder vor zehn Minuten gesagt hatte. Die Mikros waren relativ schnell vergessen …

Hierzu könnte ich noch so viel erzählen, aber wieviel ich besser unerwähnt lasse, weiß ich auch nicht, deswegen gehe ich auch nichts ins Detail. Der geschilderte Ablauf findet sich auch auf Seiten der Bahn.
Wenn man fertig war, konnte man sich am Cateringbuffet gütlich tun und auch gemeinsam etwas Warmes trinken.

Mein Fazit: Das Zuglabor ist wirklich eine großartige Idee! Kunden können zu Wort kommen und erhalten einen direkten Ansprechpartner vor Ort, man kann sich austauschen, erhält direkt Rückmeldung und kommt in angeregte Dialoge. Vor allem bei den Dialogen innerhalb der Gruppe wurde klar, dass man selten auf einen Nenner, aber dafür auf einen Kompromiss kommen kann. Es war fast wie ein kleiner, intensiver Kurzurlaub, der obendrein sehr viel Spaß macht. Eine gänzlich neue Erfahrung in vielerlei Hinsicht, aber auch die Erkenntnis: Die Menschen von der Bahn sind eben, ganz genau, auch einfach nur Menschen; durchaus sehr sympathische und nette Menschen muss ich dazu sagen (auch wenn es mir manchmal etwas unheimlich war, wenn mich jemand mit meinen Namen angesprochen hatte, obwohl ich diese Person weder vorher gesehen noch mein Namensschild mit dem Nachnamen getragen habe). Ob sie eine Liste hatten? Ob es eine Erklärung im Beobachtungswagen gab, wer wer war? Es war aber sehr aufmerksam, das schon.
Wer viel über die Bahn schimpft, dem empfehle ich einfach mal zu versuchen, am Labor teilzunehmen (es bringt vielleicht eher was, wenn man selbst öfters Zug fährt) und sich ein eigenes Bild zu bilden. Ich für meinen Teil werde nur noch über Verspätungen schimpfen, die mehr als 10 Minuten betragen und abwarten, was uns die nächsten Jahre an Verbesserungen bringen werden, es bleibt spannend!
Sollte ich jemals nochmal die Chance haben, teilzunehmen, wäre ich sofort dabei (und mich dann auch ein wenig mit meinen Kommentaren zurückhalten; die Motivation hatte mich wohl voll im Griff *seufz*), dafür war es einfach eine viel zu interessante Aktion, um sie unbeachtet zu lassen.
Die Aktion hat sich sicherlich auf beiden Seiten ausgezahlt gemacht; was für eine Verwöhnung (Kritik, Anreise, Abreise, Essen …)

Und schließlich ging es abends nach einem Kurzbesuch bei meiner lieben Freundin nach Hause, ohne Umsteigen, dafür mit Verspätung bei der Ankunft, weshalb ich erst heute schreibe, obwohl ich es mir für gestern vorgenommen hatte.

Zum Abschluss gibt es den Blick in die erste Klasse, zwei Reihen hinter meinem Sitzplatz, den ich mir glücklicherweise noch reservieren konnte:

Zugl

Auch wenn ich früher gelegentlich geschimpft habe über die erste Klasse, sie sei zu hochgezogen, etc. durfte ich doch feststellen, wie angenehm eine Reise selbst mit deutlicher Verspätung sein kann, wenn man einfach seine Ruhe hat und nicht alle zeitgleich über die Bahn und die ständige Verspätung schimpfen, über die Ruhe in dem Bereich und den verstellbaren Sitzen. Nicht zuletzt war die Freundlichkeit des Personals ohnegleichen, trotz der ungünstigen Situation eines „Notverkaufs“. Sollte ich mal die Gelegenheit haben, nochmal mit der 1. Klasse zu fahren, wäre es für mich definitiv nochmal zwei Überlegungen wert!

Einen weiteren Bericht zum Zuglabor gibt es übrigens auch von Michael auf http://fragmichi.de

Und auf: Main Echo (Unten rechts weiterklicken)

Aktuelle Bilder vom Test auf der Seite der Bahn (Gesichtsbuch): Deutsche Bahn

Eure Jenny

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